Wenn man kleine Kinder fragt, was eine Ballettlehrerin so macht, kommt oft: „Die tanzt den ganzen Tag und sagt, was wir machen sollen.“
Und ja – ein bisschen Wahrheit steckt natürlich drin. Aber der Alltag hinter dem Ballettspiegel ist viel bunter, komplexer – und manchmal auch chaotischer, herzerwärmender und anstrengender als man denkt.
8:00 Uhr – Erst Kaffee, dann Kopfchaos sortieren
Der Tag beginnt nicht mit Spitzenschuhen, sondern mit meinem Notizbuch, einer (großen) Tasse Kaffee und dem Blick in den Kalender und Anwesenheitslisten. Welche Klassen unterrichte ich heute? Sind neue Kinder zur Probestunde angemeldet? Welche Elterntelefonate stehen an? Gibt’s offene Rechnungen, E-Mails, wichtige Abstimmungen mit meinen Kolleginnen oder Technikprobleme im Studio? Sind Kollegen krank, muss der Unterricht umgeplant werden oder der Stundenplan kurzfristig verschoben?
Als Inhaberin einer Ballettschule jongliere ich nicht nur zwischen Tanz und Musik, sondern auch zwischen Verwaltung, Kommunikation, Organisation – und ganz alltäglichen Herausforderungen: „Wieso geht der Lautsprecher nicht? Wo ist der Schlüssel? Wo bleiben die Trikots für die Prüfung? Und war heute nicht dieser Elternabend…?
10:00 Uhr – Unterricht vorbereiten
Der Unterricht beginnt meist erst am Nachmittag – aber vorbereitet wird er natürlich vorher. Jede Gruppe ist anders, jede Altersstufe hat ihre eigenen Schwerpunkte.
Ich plane Musik, Schrittfolgen, Choreografien, Improvisationsspiele, Wiederholungen. Ich überlege mir Bildsprache, kleine Geschichten, wie ich die kleineren Kinder abhole. Und dann drucke ich vielleicht noch ein neues Stundenbild aus, schaue in die Lehrpläne um mich zu vergewissern, dass für die bevorstehende Grade 5 Prüfung der Schülerinnen und Schüler alle Übungen korrekt einstudiert werden.
Dann kleine Zettel in die Anwesenheitslisten der Gruppe – so wie: „ Dringend in Grade 2 die Révérence wiederholen, oder: „Mit den Intermediates einen Termin für eine Extra Probe absprechen.“
14:30 Uhr – Kinderlachen, Spitzenschuhe, Umziehtrubel
Jetzt wird das Studio lebendig! Die Kleinsten kommen mit glitzernden Augen und Dutt, meistens ein bisschen aufgeregt. Dann geht’s los: tanzen, lachen, konzentrieren, helfen, trösten, loben, motivieren, mal etwas strengerer Ton, wenn es zu unruhig wird, mal mitfreuen, wenn neue Schritte schön ausgeführt werden.
Die Größeren fordern technische Korrekturen und wollen ernst genommen werden. Ich begleite alle mit Respekt und Freude – denn jeder Fortschritt zählt.
Zwischendurch suche ich mal ein verlorenes Schläppchen, stecke einen Dutt wieder fest, schlichte einen Streit um einen Platz an der Stange oder erkläre fünfmal hintereinander, warum man im Ballett nicht mit Kaugummi tanzt und auch nicht mit offenen Haaren.
19.30 Uhr – Gespräche und kleine Wunder
Nach dem Unterricht spreche ich noch mit Eltern, beantworte Fragen – oder bekomme strahlend erzählt, dass die Oma jetzt ganz genau weiß, was ein Plié ist.
Manche Kinder verabschieden sich mit einer Umarmung oder malen mir ein Bild. Die Großen berichten von der Uni und dem Praktikum. Und ich erinnere mich: Genau deswegen mache ich das hier. Dann die Schule und den Ballettsaal für den nächsten Tag vorbereiten, lüften, aufräumen, Ordnung schaffen. Im Auto nach Hause dann ohne Radio – der Nachmittag klingt noch nach.
20:00 Uhr – Büro, Bühne, Bauchgefühl
Abends beginnt oft der zweite Teil meines Arbeitstages: die Familie versorgen, Stundenpläne überarbeiten, Anmeldeformulare checken, Social-Media-Posts vorbereiten, Proben und Generalproben für die Prüfungen planen.
Manchmal sitze ich mit müden Füßen da und denke: Es ist viel. Es ist bunt. Es ist schön.
Und dann fällt mir vielleicht plötzlich noch eine Musik ein, die perfekt für die neue Choreografie wäre. Also ab auf die Playlist. Man ist halt nie ganz „off“.
Fazit: Kein Tag ist wie der andere – aber jeder ist erfüllt
Das Leben als Ballettlehrerin ist mehr als Tanz. Es ist Kreativität, Organisation, Feingefühl, Humor und vor allem: starke Nerven und viel Herz.
Manchmal ist es anstrengend. Oft auch chaotisch. Aber wenn ein Kind zum ersten Mal ganz alleine einen Tanz durchhält – und dabei strahlt, als wäre es schon auf einer großen Bühne oder meine Großen sich ernsthaft auf ihre Advanced Prüfung vorbereiten – weiß ich, warum ich keinen anderen Beruf möchte.
Und ja: Manchmal tanze ich tatsächlich durch den Tag. Aber meistens nur zwischen Drucker, Telefon und Lehrplan.